In diesem Artikel erfährst du, wie Verspannungen deine Stimme beeinflussen, wie sie entstehen und welche zentrale Rolle dein Nervensystem dabei spielt.
Außerdem erhältst du vier praktische Tipps, um aus der körperlichen (und stimmlichen) Enge in mehr Weite zu kommen.
Inhaltsverzeichnis
Was deine Stimme braucht, um richtig gut zu funktionieren
Sowohl für die Atmung als auch für die Stimmproduktion selbst ist ein gewisses Maß an Weite erforderlich. Was ich damit meine?
Schau mal…
Deine Atmung
Eine flexible Weite in Brustkorb und Bauchraum ist vor allem für deine Atmung von großer Bedeutung. So kann sich der Brustkorb für die Einatmung weit machen und das Zwerchfell richtig tief absenken. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch eine gute körperliche Aufrichtung von großem Vorteil, damit du alle Atemräume zur Verfügung hast. All das sind Voraussetzungen für eine optimale Atemfunktion (man nennt das auch costo-abdominale Atmung), welche die Grundlage für deine Stimme ist.
Dein Stimmorgan
Aber auch dein Stimmorgan selbst braucht Weite, um gut zu funktionieren. Dein Ausatemstrom kommt im Kehlkopf an und bringt deine Stimmlippen zum Schwingen. Dadurch entstehen Schallwellen, die vor allem im Hals-, Mund und Nasenraum (diese Räume nennt man Ansatzraum) verstärkt und zu deinem individuellen Klang werden. Je weiter und flexibler dieser Ansatzraum ist, desto klangvoller ist deine Stimme. Und je weniger verspannte, grobe Muskulatur (z.B. Hals- und Nackenmuskulatur) auf dein Stimmorgan drückt, desto besser und freier können deine Stimmlippen schwingen.
Dein Körper
Wenn zudem dein gesamter Körper eine ausbalancierte Spannung hat, also nicht zu angespannt aber auch nicht unterspannt ist, kann sich die Stimmschwingung im ganzen Körper ausweiten. Dann bist du mit deiner Stimme authentisch präsent und kannst auch den Raum um dich herum entspannt füllen.
Was im Alltag passiert
In unserem Alltag ist aber oftmals das Gegenteil der Fall. Schau mal, was mir zum Beispiel eine Leserin meines Newsletters geschrieben hat:
„Immer wieder muss ich bewusst die Zunge vom Gaumen lösen, statt die Zähne zusammen zu beißen. Ich merke auch, dass ich unbewusst den Bauch anspanne und so mein Zwerchfell gar nicht richtig arbeiten kann.“
Und auch in den Stimmtrainings (und bei mir selbst) kann ich beobachten, dass bei vielen Menschen der Kiefer „knackt“ und der Hals- und Nackenbereich sich dauerhaft fest anfühlt. Auch Brustkorb und Unterleib sind oft so angespannt, dass gar nicht mehr richtig eingeatmet werden kann. Ich habe es oben ja schon beschrieben: wir brauchen was anderes und das alles hat, wie du dir vorstellen kannst immense Auswirkungen auf deinen Stimmklang und dein Auftreten.
Wie entstehen diese Verspannungen?
Klar – das wissen wir alle, das hat natürlich was mit unserer Alltags-Haltung und oft auch mit Bewegungsmangel zu tun. Was in diesem Zusammenhang aber oft vergessen wird, ist das das Thema „Stress“. Ja – ein ziemliches Buzzword, ich weiß.
Trotzdem ist es total wichtig sich dieses Thema im Zusammenhang mit Verspannungen und deiner Stimme mal genauer anzuschauen. Ich spreche hier übrigens nicht von mentalem Stress, sondern von neuronalem Stress. Dieser entsteht im vegetativen Nervensystem durch alte „Verschaltungen“.
Ein Ausflug ins Nervensystem
Zum Verständnis ist es hilfreich einen Ausflug in das Nervensystem zu machen. Wenn Gefahr bzw. Stress auftritt, wird der Sympathikus (ein Teil deines vegetativen Nervensystems) aktiv. Dieses System reagiert unbewusst und blitzschnell. Der Sympathikus ist dafür zuständig, dein Überleben zu sichern. Denn dein Gehirn ist darauf gepolt, dich vor Gefahren zu schützen und das ist ein super wichtiger Job! Es gibt nur ein Problem – das Zeitalter in dem wir leben. Früher mussten wir uns vor dem Säbelzahntiger in Sicherheit bringen – den gibt es heute nicht mehr.
Deshalb ist es wichtig eines zu verstehen: Stress stellt heutzutage immer eine wahrgenommene Gefahr dar, es muss sich also um keine wirkliche Gefahr handeln. Denn klar, eine Präsentation halten, ein Gespräch mit deinem Chef oder ein doofer Kommentar deiner Kollegin – das sind keine Gefahren bei denen es um Leben oder Tod geht.
Daher können Stressoren – also moderne Säbelzahntiger z.B. auch folgendes sein: Eine Unsicherheit, wenn du im Mittelpunkt stehst, Druck von Außen, ein unangenehmes Gespräch etc. Und diese Stressoren sind oftmals aus nervalen Verschaltungen aus unserer Vergangenheit entstanden – ich nenne das gern „alte Wunden“. Mach dir mal eines bewusst: Unsere Leben sind heute so schnell und so übervoll von Stressoren.
Auch wenn die Auslöser heute andere sind, auf jeglichen Auslöser folgt noch immer die gleiche physiologische Reaktion. Denn dein Nervensystem hat ein Ziel- du sollst bitteschön überleben.
Die Stressmuster
Bestimmt hast du schon einmal von den verschiedenen Stressmustern gehört, die auf einen Stressreiz folgen:
Fight, Flight, Freeze.
Diese Reaktionen sind für das Thema Verspannungen super interessant. Die folgenden Beschreibungen sollen dir eine grobe Orientierung geben. Denn es gar nicht so einfach diese Formen trennscharf zu identifizieren und es kommen natürlich auch Mischformen vor.
- Fight or Flight
Bei der Fight-Flight-Reaktion macht dich dein Körper bereit für Kampf oder Flucht. Dazu wird jede Menge Energie bereit gestellt.
Was das jetzt mit Verspannungen zu tun hat? Die Energie, die für Flucht oder Kampf bereit gestellt wird kann sich, wenn sie auf Dauer nicht ausgelebt (abgebaut) wird, als Anspannung in Kiefer-, Schulter-, Nacken- und Beckenbereich ablagern. Je sensibler du auf Stress reagierst, desto schneller bist du in deinem Muster und desto mehr Verspannungen können sich bilden.
- Freeze
Bei der Freeze Reaktion waren weder Kampf noch Flucht möglich und es kommt in der Folge zum Erstarren – es wird also gar nicht mehr reagiert.
Auch hier ist der Sympathikus aktiv (der Körper hält Energie zur Flucht bereit, falls sie möglich wird), es gibt also eine hohe Anspannung. (Zudem ist der Parasympathikus aktiviert und es kommt zeitgleich zu einer Unterspannung.) Die unterschwellige Anspannung führt oft zu Verspannungen . Wir reden hier wieder von Energie, die im Körper feststeckt.
Oftmals haben wir Frauen nicht gelernt gut mit der sympathischen Kampfenergie umzugehen, um z.B. unsere eigenen Grenzen zu setzen und selbstbewusst zu kommunizieren. Also wird die Kampf- Reaktion unterdrückt und es kommt zur Erstarrung (oder Verstummung) die oft in einem verspannten Kiefer bemerkbar ist.
Ist die Situation komplett aussichtslos kommt es übrigens zum Kollaps und zur der Unterwerfung/ Überanpassung. Das komplette System kollabiert und es ist nun nur noch ein gewisser Teil des Parasympathikus aktiv.
Hinsichtlich Verspannungen ist hier die Haltung ein wichtiger Punkt- denn auch diese kollabiert. Bei einer „ich duck mich weg“ Einstellung ist die Haltung eher geduckt und eingefallen. Das kann vor allem zu Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich führen. Aber gerade deine aufrechte Haltung ist wichtig für deine Atmung, deine Stimme und dein Auftreten.
Was du tun kannst
Kümmere dich um deine Faszien
Viele für die Stimmfunktion wichtige Bereiche hängen über eine Faszienlinie zusammen, die tiefe Frontallinie. Diese Linie ist zudem für die Aufrichtung/Haltung (!) zuständig. Sie verläuft von den Fußsohlen aus über die Beine, das Becken und den Rumpf bis hin zum Hals– und Mundbereich. Sie beinhaltet die oftmals verspannten Regionen, wie Hüfte, Beckenboden, Nacken und Kiefer.
Es ist also sehr sinnvoll diese Faszien regelmäßig zu dehnen und zu aktivieren.
Das funktioniert z.B. gut durch Pilates, Yoga oder eben Faszientraining. Generell macht gut funktionierendes Faszialgewebe den Körper durchlässig für die Stimmschwingung, ist also auch grundlegend super hilfreich für eine angebundene und klangvolle Stimme.
Bewege dich
Lass überschüssige Energie los. Ja, das geht natürlich sehr gut durch Bewegung. Wenn du also Sport machst -super! Was ich tue? Ich schaue, dass ich, wenn möglich Strecken zu Fuß oder mit dem Rad erledige, Treppen steige und so oft es geht einen Spaziergang mache. Manchmal mache ich mir auch meine Lieblingsplaylist an und tanze dazu. Funktioniert das immer? Nein! Aber hier kann ich (ohne Stress 🙂 ) immer wieder einsteigen.
Übe dich in Langsamkeit & sei freundlich zu dir
Irgendwie haben wir alle das Gefühl immer sofort auf alles und jeden reagieren zu müssen. Manchmal hilft es langsamer zu werden – dir Zeit zu geben deine Gedanken, Emotionen und deinen Körper wertfrei wahrzunehmen, um Stress und Verspannungen vorzubeugen.
Das braucht Geduld und Übung, es lohnt sich aber. Denn dieser bewusste Umgang mit dir, gibt dir auch die Möglichkeit einen genaueren Blick auf die Stressoren zu werfen. So kannst du damit anfangen herauszufinden, welche alten Wunden und Glaubenssätze dahinter stehen. Mach das aber immer liebevoll.
Lerne deine Emotionen zu fühlen und dein Nervensystem zu regulieren
Beim Thema Nervensystemregulation geht es darum im Alltag immer wieder im Körper anzukommen. Mein Power Tool dafür sind Übungen, die aus einer Kombi von Stimme, Atmung und Körperbewegung bestehen. So kommst du bei dir an, löst Verspannungen/ beugst ihnen vor und wirst wieder handlungs- und kommunikationsfähig. Deswegen ist dieses Spüren, Wahrnehmen und Ankommen auch eine absolute Grundlage meiner Stimmtrainings.
Alles Liebe
Anne-Christin
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